Die Entwicklung im Jahr 2025 markiert einen Wendepunkt, den Ökonomen später wahrscheinlich „Kipppunkt der Intelligenzökonomie“ nennen werden. Künstliche Intelligenz ist innerhalb weniger Monate so radikal billiger geworden, dass sich ganze Branchen neu sortieren müssen. Was früher ein knappes Hightech-Gut war, wird nun zu einer Commodity – ein Rohstoff wie Strom oder Speicherplatz. Und genau darin liegt die wirtschaftliche Sprengkraft.

Noch 2023 galten die besten Sprachmodelle als technologische Wunderwerke, für deren Nutzung Firmen hohe Summen zahlten. Heute kostet eine Million Tokens – also Recheneinheiten der KI – nur noch wenige Cent. Der Preis ist um den Faktor 1.000 gefallen. Getrieben wird dieser Absturz durch eine explosionsartige Zunahme an Open-Source-Modellen: Statt einiger weniger dominierender KI-Labore existieren mittlerweile Hunderte leistungsfähiger Modelle, die für jeden frei verfügbar sind. Der Markt kippt damit vom Verkäufer- zum Käufermarkt.

Interessant ist, dass die alte Silicon-Valley-Idee vom „Winner takes all“ nicht mehr gilt. Lange glaubte man, das beste Modell werde den gesamten Markt kontrollieren. Doch 2025 zeigt das Gegenteil: Die Marktführerschaft wechselt fast monatlich, weil OpenAI, Google, Anthropic und neue Open-Source-Player sich gegenseitig übertrumpfen. Ein klares Dominanzmuster ist nicht erkennbar. Für Anwender ist das gut – die Preise sinken, die Qualität steigt. Für Anbieter ist es ein Albtraum, weil echte Preissetzungsmacht verschwindet.

Gleichzeitig zeigt sich ein überraschender ökonomischer Effekt: Trotz des Preisverfalls explodiert die Gesamtnachfrage nach KI nicht. Sie wächst zwar, aber nur mäßig. Das liegt nicht an mangelndem Interesse, sondern an einer „Integrationsbremse“ in den Unternehmen. Die Software ist billig, aber der organisatorische Aufwand, KI sinnvoll in Prozesse einzubetten, bleibt hoch. Es ist nicht die KI selbst, die teuer ist – es sind Anpassung, Training, Datenqualität und interne Strukturen.

Besonders hart trifft der Preisverfall die Softwarebranche. Jahrzehntelang basierte das Erfolgsmodell vieler SaaS-Firmen darauf, ein Produkt einmal zu entwickeln und dann millionenfach mit hohen Margen zu verkaufen. Doch wenn KI Standardfunktionen in Sekunden erzeugt, verlieren klassische Softwareprodukte ihre Burggräben. Analysten sprechen bereits vom „SaaS-Massaker“. KI automatisiert genau jene Aufgaben, die früher teuer verkauft wurden.

Während Softwarepreise fallen, steigen die Kosten auf der Hardwareseite dramatisch. Rechenzentren verschlingen Energie in Größenordnungen mittlerer Industriestaaten, und Strom wird zum strategischen Werttreiber. Länder mit günstiger Energie – allen voran China – erhalten einen geopolitischen Vorteil. Auch deshalb greifen inzwischen rund 80 Prozent aller KI-Start-ups auf chinesische Modelle zurück: Sie sind oft billiger und ausreichend leistungsfähig.

Am sichtbarsten wird der Wandel in den Branchenbeispielen: Callcenter automatisieren millionenfache Kundendialoge; Übersetzungen und Textproduktion erfolgen in Sekunden; medizinische Triage, juristische Vorprüfung, Softwareentwicklung – alles erfährt massive Produktivitätssprünge. KI wird zu einem Grundbaustein des Alltags.

Die zentrale Frage der nächsten Jahre lautet daher nicht mehr: Wer besitzt die beste KI? Sondern: Wer schafft es, KI effizient, sicher und strategisch einzusetzen? Daten, Prozesse, Energie, Governance – das werden die neuen Wettbewerbsfaktoren. Intelligenz ist billig geworden. Effektive Wertschöpfung bleibt eine Kunst.

Quellen:

📌 Ökonomische Analyse zu Open-Source-LLMs

🔗 Open Sourcing GPTs: Economics of Open Sourcing Advanced AI Models – arXiv-Preprint mit ökonomischer Analyse zur Frage, warum und wie Firmen LLMs open-sourcen (mit Theorie und empirischer Diskussion):
https://arxiv.org/abs/2501.11581 arXiv

📌 (Alternative frei verfügbare Fassung, z. B. über ResearchGate):
https://www.researchgate.net/publication/388232302_Open_Sourcing_GPTs_Economics_of_Open_Sourcing_Advanced_AI_Models ResearchGate


🌍 Geopolitische Analysen zu KI-Wettbewerb

🔗 Countering China’s Challenge to American AI Leadership – offizielle US-Senats-Dokumente / Politikpapier zur AI-Wettbewerbsstrategie zwischen USA und China (Testimony & Analyse):
https://www.csis.org/analysis/countering-chinas-challenge-american-ai-leadership csis.org

📌 (Alternative offizielle Hearing-Seite mit PDF-Dokument):
https://www.foreign.senate.gov/download/12/01/2025/120225_chhabra_testimonypdf foreign.senate.gov

📊 Kontext zu Open-Source KI und Ökonomie

🔗 The Economic and Workforce Impacts of Open Source AI – Studie der Linux Foundation zur wirtschaftlichen Bedeutung von Open-Source-KI:
https://www.linuxfoundation.org/hubfs/LF%20Research/lfr_market_impact_052025a.pdf linuxfoundation.org

🔗 Is Open Source the Future of AI? A Data-Driven Approach – arXiv-Paper zu Trends und Herausforderungen bei Open-Source-LLMs:
https://arxiv.org/abs/2501.16403