Die aktuellen Daten von Creditreform zu Insolvenzen sowie zur Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand (Herbst 2025) ergeben zusammengenommen ein beunruhigendes Bild. Deutschland befindet sich nicht nur in einer konjunkturellen Schwächephase, sondern in einer Phase struktureller Ermüdung, die insbesondere den Mittelstand trifft – eigentlich das Rückgrat der Volkswirtschaft.

Die Zahlen zeigen: Die Resilienz des Mittelstands nimmt ab, während die Transformationsanforderungen steigen.


1. Insolvenzen steigen weiter – das höchste Niveau seit einem Jahrzehnt

Mit rund 23.900 Unternehmensinsolvenzen erreicht Deutschland 2025 einen neuen Höchststand seit mehr als zehn Jahren. Der Anstieg um 8,3 % gegenüber 2024 fällt zwar moderater aus als im Vorjahr, zeigt aber eine ungebrochene Dynamik. Über 80 % der Pleiten entfallen auf Kleinstunternehmen, deren finanzielle Substanz oft schon vor der Krise schwach war.

Parallel dazu steigt die Zahl der Privatinsolvenzen auf 76.300 Fälle – ein Zeichen dafür, dass die wirtschaftliche Schwäche längst in private Haushalte hineingreift.

Die Schäden sind enorm: 57 Mrd. Euro an ausfallbedrohten Forderungen und 285.000 betroffene Arbeitsplätze verdeutlichen die Tragweite.

Doch die entscheidende Erkenntnis lautet:
Die Insolvenzen sind nicht die Krankheit – sie sind das Symptom.

Sie offenbaren Geschäftsmodelle, die in einem Umfeld hoher Energiepreise, schwacher Nachfrage, struktureller Überregulierung und mangelnder Digitalisierung kaum noch tragfähig sind.


2. Mittelstand 2025: leichte Stimmung, schwere Lage

Die Herbstanalyse zur Wirtschaftslage zeigt ein beunruhigendes Bild:

  • Der Creditreform-Geschäftsklimaindex steigt zwar auf +0,1 Punkte, aber nur, weil sich die Erwartungen leicht aufgehellt haben.
  • Die aktuelle Lage bleibt klar negativ – Ausdruck von Ertragsproblemen, Liquiditätsengpässen und Auftragsrückgängen.
  • 17,6 % der Unternehmen bauen Personal ab, nur 15,3 % stellen ein.
  • 30,8 % der Mittelständler verfügen über eine Eigenkapitalquote unter 10 % – ein Wert, der sie bereits in der Nähe der Insolvenzschwelle positioniert.
  • Die Investitionsneigung liegt nur bei 43,5 %, obwohl die Modernisierung von Geschäftsprozessen dringend notwendig wäre.

Diese Zahlen belegen: Der Mittelstand, einst konjunktureller Stoßdämpfer, ist selbst verwundbar wie selten zuvor.


3. Kritische Einordnung: Deutschland unterschätzt die Lage dramatisch

Die Kombination aus hoher Insolvenzquote und schwacher Mittelstandslage sollte als Warnsignal verstanden werden. Doch vielfach wird sie zu technokratisch interpretiert.

Die Wahrheit ist unbequemer:

Der Mittelstand verliert seine Resilienz – und das ist neu.

Die Eigenkapitalbasis schwindet, Investitionen werden verschoben, die Unternehmenssubstanz erodiert. Wo früher Reserven waren, klaffen heute Lücken.

Der Kreditkanal wird zum Engpass.

Je niedriger das Eigenkapital, desto restriktiver die Kreditvergabe. Banken reagieren rational – sie vergeben weniger Kredite an diese Unternehmen. Damit fehlt vielen Unternehmen genau das Kapital, das sie bräuchten, um sich zu modernisieren. Ein unterentwickelter Kapitalmarkt ermöglicht auch keine Alternativfinanzierungen; im besten Falle könnten mittelständische Unternehmen mit guten Geschäftsmodellen Investoren finden, wenn dies kommuniziert würde und diese Unternehmen bereit sind, sich im Markt besser aufzustellen.


4. Verknüpfung beider Trends: Warum Insolvenzen und Mittelstandsdaten dieselbe Geschichte erzählen

Die Studien von Creditreform laufen auf eine gemeinsame Diagnose hinaus:

➡️ Die Kapitaldecke ist zu dünn.
➡️ Die Erträge sind zu niedrig.
➡️ Die Kosten sind zu hoch.
➡️ Die Transformation wird zu langsam umgesetzt.

Insolvenzen steigen, weil Unternehmen strukturell geschwächt sind.
Die Mittelstandslage bleibt schlecht, weil diese Unternehmen nicht investieren können.
Und sie können nicht investieren, weil Finanzierung fehlt.
Ein selbstverstärkender Abschwung Mechanismus.


5. Ausblick: Wenn es aufwärts gehen soll, muss sich vieles ändern

Für 2026 ist keine echte Trendwende absehbar. Ohne massive strukturelle Reformen – Energiepreissenkungen, Entbürokratisierung, Förderung technologischer Produktivität – bleibt Deutschland auf einem Pfad des Niedrigwachstums. Dazu kommt, dass der Kapitalmarkt für diese Unternehmen zu wenig Möglichkeiten bietet und es offenbar nicht selbstverständlich ist, sich bei Investoren Kapital zu beschaffen, weil man von dem eigenen Geschäftsmodell überzeugt ist.

Die Daten zeigen klar:
Wohlstandssicherung erfordert Transformation.

Quellen

  1. Creditreform Wirtschaftsforschung (2025): Insolvenzen in Deutschland – Jahr 2025.
    https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/insolvenzen-in-deutschland-jahr-2025
  2. Creditreform Wirtschaftsforschung (Herbst 2025): Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand – Herbst 2025.
    https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/wirtschaftslage-und-finanzierung-im-mittelstand-herbst-2025
  3. Creditreform / PDF zur Mittelstandsanalyse (2025):
    Geschäftsklima Mittelstand – Herbstbericht 2025.
    (Direkter PDF-Link der Presseinfo)
    https://www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/central_files/News/News_Wirtschaftsforschung/2025/Wirtschaftslage_Mittelstand/2025-10-07_PM_OE_presseinfo_MIT1-herbst-2025.pdf
  4. Creditreform Zusatzdaten (Mittelstandsbarometer, Insolvenzgeschehen):
    https://www.creditreform.de