Die Verantwortung der Regierung, strategische Entscheidungen im besten Interesse des Landes zu treffen, ist unbestritten. Doch oft steht ihr dabei die Realität eines hochkomplexen politischen Umfelds im Weg, in dem auch Berater, Gremien und externe Einflüsse eine Rolle spielen. Der kürzliche Schritt der deutschen Bundesregierung, ihren Anteil an der Commerzbank zu privatisieren, bietet dabei wichtige Erkenntnisse über die Herausforderungen und potenziellen Fehltritte, die solche Entscheidungen begleiten können.

Am 3. September 2024 entschied die Bundesregierung, ihren 16,5-Prozent-Anteil an der Commerzbank teilweise zu verkaufen. Ursprünglich wollte man eine breite Streuung am Aktienmarkt erreichen, um den Anteil nach und nach zu veräußern. Doch durch die Wahl eines beschleunigten Bookbuilding-Verfahrens[1], bei dem die Finanzagentur und die Investmentbank JP Morgan eingebunden waren, gingen die Aktien überwiegend an einen strategischen Investor, die italienische Bank Unicredit. Dies führte zu einer Konzentration, die Unicredit in eine starke Position brachte – so stark, dass die Bank inzwischen 21 Prozent der Commerzbank-Anteile kontrolliert und eine Übernahme erwägt (die technische Darstellung der Derivategestaltung siehe auf diesem Blog weiter unten).

Dieser Vorgang hat eine lebhafte Diskussion ausgelöst, bei der die Regierung und insbesondere das Finanzministerium in die Kritik geraten sind. Ein interministerieller Lenkungsausschuss, der sich um Fragen des Bankenrettungsfonds kümmert und in der Finanzmarktkrise gegründet wurde, war an der Entscheidung beteiligt. Das Gremium, das Mitglieder verschiedener Ministerien und beratende Experten umfasst, war jedoch in den letzten Jahren nur sporadisch zusammengekommen. Laut Kritikern fehlte dadurch die Kontinuität und Tiefe, die notwendig gewesen wären, um ein solches Thema ausreichend zu beleuchten.

Ein wichtiger Aspekt, der in diesem Fall deutlich wird, ist die Schwierigkeit, politische und wirtschaftliche Ziele zu verbinden. Auf der einen Seite steht die Überlegung, den staatlichen Einfluss zu reduzieren und dem Markt zu vertrauen. Auf der anderen Seite ist jedoch die Frage, inwieweit eine bedeutende deutsche Bank einem ausländischen Investor überlassen werden sollte. Strategische Investoren, insbesondere aus dem Ausland, können in einem globalisierten Marktumfeld wichtige Anteile übernehmen – was per se nicht problematisch ist, aber bestimmte Fragen aufwirft, etwa über die Einflussnahme auf den Bankenmarkt und die finanzielle Unabhängigkeit des Landes.

Hier hätte ein vorsichtigerer Umgang mit der Zuteilung der Aktien geholfen, um eine unerwünschte Konzentration in den Händen eines einzigen strategischen Investors zu vermeiden. Die Wahl des Bookbuilding-Verfahrens wurde von der Finanzagentur mit rechtlichen Notwendigkeiten begründet, jedoch zeigt sich rückblickend, dass eine breitere Streuung der Aktien besser im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung gewesen wäre. Wenn sich die Bundesregierung dann nach den Aktivitäten der Unicredit über den Übernahmeversuch überrascht zeigt, ist dies entweder auf mangelnden Überblick oder politische Desorientierung zurückzuführen.

Beratungsgremien und -experten sind in solchen Prozessen essenziell, da sie Informationen und Fachwissen einbringen, die den politischen Entscheidungsträgern oft fehlen. Im Fall der Commerzbank-Privatisierung waren Berater wie der Finanzvorstand der Staatsbank KfW, Bernd Loewen, beteiligt, aber nur in beratender Funktion. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Bundesbank, war zu der entscheidenden Sitzung gar nicht anwesend. Es stellt sich die Frage, inwieweit solche beratenden Rollen genutzt werden, um wirklich tiefgehende Analysen und langfristige Perspektiven einzubringen, oder ob sie mehr eine formelle Rolle spielen.

Inzwischen hat das Finanzministerium signalisiert, dass die Beteiligung von Unicredit an der Commerzbank als Teil eines offenen Marktes nicht als bedenklich eingestuft wird. Dies reflektiert die Tatsache, dass Beteiligungen aus dem Ausland auf dem deutschen Bankenmarkt durchaus üblich sind, insbesondere wenn sie innerhalb der EU stattfinden.

Der Fall zeigt auch auf, dass staatliche Entscheidungsträger bei komplexen Marktentscheidungen vielleicht überfordert sind. Die Einflüsse von Interessenverbänden, politischen Agenden und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können es erschweren, Entscheidungen im rein strategischen Sinne zu treffen.


[1] Das Bookbuilding-Verfahren ist ein gängiges Platzierungsverfahren bei Börsengängen oder Aktienverkäufen, bei dem potenzielle Investoren in einer vorher festgelegten Zeitspanne Gebote für die Menge und den Preis von Aktien abgeben können. Basierend auf diesen Geboten wird anschließend der endgültige Preis festgelegt, wobei das Ziel ist, die Aktien möglichst marktgerecht und nachfrageorientiert zu platzieren.