War es das mit Discount-Land?
Lange galt Deutschland als das Land der Discounter – mit Aldi und Lidl als Aushängeschilder eines scharfen Preiswettbewerbs, der Konsumenten günstige Lebensmittel sicherte. Doch dieses Bild ist überholt. Eine aktuelle Analyse der Preisvergleichs-App Smhaggle, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Mai 2025, zeigt: Deutschland ist im europäischen Vergleich bei vielen Markenprodukten nicht mehr günstig – im Gegenteil.
Die Studie vergleicht die Regalpreise für identische Markenprodukte in sechs westeuropäischen Ländern. Das Ergebnis: In Deutschland kosten viele bekannte Produkte – darunter Pringles, Heinz-Ketchup oder Milka-Schokolade – mehr als in Frankreich, den Niederlanden, Belgien oder Großbritannien. Der Preisunterschied kann je nach Artikel bis zu 50 % betragen. Der durchschnittliche Preis für den untersuchten Warenkorb liegt in Deutschland rund 14 % über dem Vergleichswert der anderen Länder.
Was steckt dahinter?
Die Preisführerschaft von Aldi und Lidl ist in Deutschland weitgehend ausgehöhlt. Die großen Handelsketten folgen dem jeweils niedrigsten Preis – meist von Aldi oder Lidl gesetzt – ohne ihn zu unterbieten. Das führt zu einer weitgehenden Preisangleichung im Markt, nicht aber zu echtem Wettbewerb. Das ursprüngliche Discountprinzip – durch Einkaufsvorteile niedrigere Preise zu ermöglichen – funktioniert kaum noch.
Hinzu kommt: Deutschland ist ein hochkonzentrierter Lebensmittelmarkt. Über 85 % des Handels entfallen auf vier Konzerne: Aldi, die Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland), Rewe und Edeka. Diese Oligopolstruktur schwächt den Wettbewerb zusätzlich. Internationale Hersteller wie Mondelez, Heinz oder Ferrero können hier höhere Preise durchsetzen als in anderen Ländern, wo der Verteilungskampf härter geführt wird.
Falsches Image – reale Folgen
Während das Marketing weiterhin mit Begriffen wie „Discountpreis“, „Original Aldi-Preis“ oder „Dauer-Tiefpreis“ arbeitet, sind die tatsächlichen Preisvorteile oft nicht mehr vorhanden. Das ist besonders problematisch für Haushalte mit niedrigem Einkommen: Wer auf günstige Grundversorgung angewiesen ist, hat in Deutschland kaum noch echte Ausweichmöglichkeiten – selbst beim Discounter.
Fazit:
Das lange gepflegte Image vom „Billigland Deutschland“ ist nicht mehr haltbar. Preiswettbewerb, wie er früher üblich war, findet kaum noch statt. Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel und strategische Preissetzung der Markenhersteller führen dazu, dass deutsche Verbraucher im internationalen Vergleich zunehmend das Nachsehen haben – trotz oder gerade wegen der vermeintlichen Discountlandschaft.
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