Die Vermögensverteilung in Deutschland ist seit Jahren ein Dauerthema und immer wieder führen die Ergebnisse zum Erstaunen, denn die Hälfte der Bevölkerung hat kein oder kaum Geldvermögen. Immer wieder belegen Studien und Berichte, dass die wirtschaftlichen Ressourcen extrem ungleich verteilt sind. Besonders alarmierend ist, dass die ärmere Hälfte der Bevölkerung praktisch kein Vermögen besitzt (Schätzungen liegen zwischen 2 und 5 %). Während die oberen 10 % der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens halten, bleibt der unteren Hälfte oft nicht einmal genug, um Rücklagen zu bilden.


Die Faktenlage: Eine Bevölkerung, zwei Welten

Die oberen 10 % dominieren das Vermögen

Laut der Deutschen Bundesbank besitzen die reichsten 10 % der Haushalte in Deutschland 56 % des Nettovermögens. Noch drastischer wird es, wenn man die oberen 1 % betrachtet, die über ein Viertel des Gesamtvermögens kontrollieren. Diese Konzentration von Reichtum ist im europäischen Vergleich besonders hoch. Länder wie Frankreich oder die skandinavischen Staaten weisen deutlich ausgeglichenere Vermögensverteilungen auf.[1]

Die ärmere Hälfte: Kein Polster, keine Perspektive

Auf der anderen Seite der Skala sieht die Situation düster aus: Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat faktisch kein Vermögen. Häufig reicht das Einkommen gerade aus, um die täglichen Ausgaben zu decken. Rücklagen oder Investitionen, die langfristig Vermögen aufbauen könnten, sind für diese Haushalte nahezu unmöglich. Laut aktuellen Studien halten die untersten 50 % weniger als 2-5 % des Gesamtvermögens – ein Wert, der seit Jahren stagniert.

Die Rolle der Inflation und des Zinsumfelds

Ein weiterer Aspekt, der die Ungleichheit verschärft, ist das anhaltende Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre. Während wohlhabende Haushalte von steigenden Aktienmärkten und Immobilienpreisen profitierten, sahen sich einkommensschwächere Haushalte mit negativen Realzinsen konfrontiert. Konservative Anlageformen wie Bargeld und Einlagen, die von dieser Gruppe bevorzugt werden, haben durch die Inflation kontinuierlich an Wert verloren.


Warum die ärmere Hälfte kaum Vermögen aufbauen kann

1. Einkommens- und Konsumzwang

Einkommensschwache Haushalte haben in der Regel kein finanzielles Polster. Ihr Einkommen wird nahezu vollständig für den Konsum verwendet. Die steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere in den Bereichen Wohnen, Energie und Lebensmittel, lassen kaum Spielraum für Ersparnisse.

2. Fehlende Finanzbildung

Ein weiteres Hindernis ist die fehlende Finanzbildung. Viele Menschen aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung scheuen sich davor, in risikoreichere, aber potenziell lukrativere Anlageformen wie Aktien oder Fonds zu investieren. Die Angst vor Verlusten und mangelnde Kenntnisse über langfristige Renditechancen halten sie in konservativen Anlageformen wie Sparbüchern und Bargeld gefangen.

3. Strukturelle Barrieren

Auch strukturelle Faktoren spielen eine Rolle. Der Zugang zu renditestarken Anlageklassen ist für die ärmere Hälfte oft eingeschränkt. Mindestanlagesummen, hohe Gebühren oder der fehlende Zugang zu qualifizierter Finanzberatung sind Hürden, die nur schwer zu überwinden sind.


Die Konsequenzen der Ungleichheit

1. Geringe Teilhabe an der Markterholung

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Vermögensaufbau stark von der Entwicklung der Finanzmärkte abhängt. Die Erholung der Aktienmärkte ab 2022 sorgte bei wohlhabenden Haushalten für erhebliche Vermögenszuwächse. Die ärmere Hälfte blieb hingegen außen vor, da sie kaum in diese Märkte investiert war.

2. Verstärkung der sozialen Ungleichheit

Die Ungleichheit in der Vermögensverteilung hat direkte Auswirkungen auf die soziale Mobilität. Ohne Vermögensreserven sind Haushalte aus der unteren Hälfte der Bevölkerung anfälliger für wirtschaftliche Schocks, wie plötzliche Arbeitslosigkeit oder unerwartete Ausgaben. Dies führt zu einer Verfestigung der Ungleichheit und einem Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

3. Gesellschaftliche Spannungen

Eine derart ungleiche Vermögensverteilung birgt auch gesellschaftliche Risiken. Wenn große Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, vom wirtschaftlichen Fortschritt ausgeschlossen zu sein, wächst das Misstrauen gegenüber Institutionen und politischen Entscheidungsträgern. Die Folge können soziale Spannungen und politische Polarisierung sein, wie sich ja in den letzten 10 Jahren deutlich gezeigt hat.


Lösungsansätze: Wege zu mehr Chancengleichheit

1. Förderung von Vermögensbildung

Die Bundesregierung sollte Programme zur Förderung von Vermögensbildung auflegen, die speziell auf einkommensschwache Haushalte zugeschnitten sind. Beispiele könnten staatlich geförderte Fondssparpläne oder Bürgerfonds sein, in die Haushalte regelmäßig einzahlen und von denen sie steuerlich begünstigt profitieren können.

2. Finanzbildung stärken

Eine bessere Finanzbildung ist entscheidend, um Vorurteile gegenüber Investitionen abzubauen und den Zugang zu renditestarken Anlageklassen zu erleichtern. Bildungsangebote sollten bereits in Schulen beginnen und gezielt einkommensschwache Haushalte ansprechen.

3. Inflationsgeschützte Sparprodukte

Staatlich garantierte, inflationsgeschützte Sparprodukte könnten helfen, die Kaufkraft der unteren Einkommenshälfte zu sichern. Solche Produkte wären eine attraktive Alternative zu traditionellen Sparformen wie dem Sparbuch.

4. Reform des Steuersystems

Eine stärkere Besteuerung von sehr hohen Vermögen könnte genutzt werden, um Programme zur Vermögensbildung für einkommensschwache Haushalte zu finanzieren. Gleichzeitig sollten Steuern auf Vermögensaufbau, z. B. durch Fonds- oder Aktienanlagen, für geringverdienende Haushalte gesenkt werden.

5. Förderung von Aktien und Fonds

Subventionierte Aktien- oder Fondssparpläne könnten dazu beitragen, einkommensschwache Haushalte stärker an den Kapitalmärkten zu beteiligen. Diese könnten durch staatliche Zuschüsse ergänzt werden, um den Einstieg zu erleichtern.


Ein Blick nach vorne: Was passiert ohne Veränderung?

Wenn die aktuelle Entwicklung nicht gestoppt wird, wird sich die Vermögensungleichheit in Deutschland weiter verschärfen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung wird weiter unter Druck geraten, während die reichsten Haushalte von steigenden Märkten und Vermögenswerten profitieren. Dies hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen. Interessant ist, dass dieser wesentliche Punkt kaum in der Öffentlichkeit diskutiert wird (im Bundestagswahlkampf wird er auch nicht prominent hervorgehoben), obgleich er so viele Bereiche wie Haushaltspolitik, Sozialpolitik oder auch das gesamtgesellschaftliche Klima betrifft. Der konservative Tenor geht in eine andere Richtung: Kürzungen beim Bürgergeld, Rentenkürzungen u.ä.. Es bedarf keiner großen Vorhersagekraft, dass die Veränderungen in der Gesellschaft und das Wesen der Demokratie in den nächsten Jahren von dieser Frage abhängt.


[1] Ganz gut dargestellt hier: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/sozialbericht-2024/553236/vermoegen-im-europaeischen-vergleich

siehe auch den Sozialbericht 2024: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Sozialbericht_2024_bf_k2.pdf S. 218 ff.