Stillstand statt Fortschritt: Warum die deutsche Steuerpolitik scheitert
Christian Lindner fiel vor allem dadurch auf, dass er häufig Steuersenkungen forderte, diese jedoch kaum umsetzte als Finanzminister. Zwar gelang es dem FDP-Politiker, die Folgen der Inflation auf die Abgabenlast zu mildern, doch von einer grundlegenden Reform der Steuerpolitik kann keine Rede sein. Sein kategorisches Nein zu jeder Form von Steuererhöhung hat die Regierung ihrer Handlungsspielräume beraubt und den Reformstau weiter verschärft.
Lindners defensive Politik ist jedoch nur ein Teil des Problems. Auch seine Vorgänger Olaf Scholz und Wolfgang Schäuble agierten in der Steuerpolitik weitgehend passiv, während dringend benötigte Reformen immer weiter aufgeschoben wurden. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich so ein immenses Defizit aufgebaut, das Deutschland wirtschaftlich und sozial zurückwirft.
Deutschland im internationalen Vergleich: Ein Standort mit Problemen
Die deutschen Unternehmenssteuern zählen zu den höchsten in der OECD, was Investitionen sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland massiv erschwert. Unter den 38 Mitgliedstaaten der OECD belegt Deutschland bei der Steuerbelastung von Unternehmen einen der hinteren Plätze. Auch Arbeitnehmer spüren die Last – insbesondere im unteren und mittleren Einkommensbereich. Hier bremst der sogenannte „Mittelstandsbauch“, ein Knick im Einkommensteuertarif, den Aufstieg und führt zu einer unproportional hohen Steuerbelastung.
Die Folge: Deutschland verliert zunehmend an Attraktivität als Wirtschaftsstandort. Diese Schieflage wird durch die geringe Besteuerung von Vermögen weiter verschärft. Vermögensbezogene Abgaben machen hierzulande gerade einmal drei Prozent des Steueraufkommens aus – ein Bruchteil im Vergleich zu den USA oder Großbritannien, die das Vierfache erzielen.
Reichtum ohne Verantwortung: Das deutsche Paradox
Eine der größten Schwächen der deutschen Steuerpolitik ist die fehlende Einbeziehung von Vermögen. Die massive Vermögensungleichheit in Deutschland hat sich über Jahrzehnte verfestigt und bedroht zunehmend den sozialen Zusammenhalt. Besonders auffällig ist das Festhalten an großzügigen Steuerprivilegien für Erbschaften. Diese sorgen dafür, dass Reichtum oft über Generationen hinweg unbesteuert bleibt, während arbeitende Bevölkerungsschichten mit steigenden Abgaben belastet werden.
Ein radikaler Schritt wäre hier die Streichung dieser Privilegien. Erbschaften über einer bestimmten Grenze könnten wie reguläres Einkommen besteuert werden, um soziale Gerechtigkeit zu fördern und dringend benötigte Einnahmen für den Staat zu generieren. Noch konsequenter wäre die Einführung einer Vermögenssteuer. Eine moderate Besteuerung der reichsten 20.000 Deutschen – also jener, die über ein Vermögen von mehr als 30 Millionen Euro verfügen – könnte jährlich zweistellige Milliardenbeträge einbringen.
Investitionen statt Stillstand: Ein Neustart für die Steuerpolitik
Deutschland braucht nicht nur kosmetische Korrekturen, sondern einen umfassenden Neuanfang in der Steuerpolitik. Dazu gehört:
- Entlastung der Arbeitenden: Eine deutliche Reduzierung der Einkommensteuer im unteren und mittleren Bereich ist überfällig. Ergänzend dazu müssen die Sozialabgaben gesenkt werden, da sie bereits den ersten verdienten Euro stark belasten.
- Unterstützung von Unternehmen: Die Unternehmenssteuer sollte schrittweise von derzeit rund 30 auf 25 Prozent gesenkt werden. Eine Investitionsprämie für zukunftsweisende Projekte, gekoppelt an klare ökologische und soziale Kriterien, könnte Firmen zusätzlich motivieren.
- Belastung von Vermögen: Die Vermögenssteuer muss wieder eingeführt werden. Zudem sollten Steuerprivilegien für Erbschaften und Kapitalerträge abgeschafft oder stark eingeschränkt werden, um die wachsende Vermögenskonzentration einzudämmen.
- Zukunftsinvestitionen: Die freiwerdenden Mittel aus vermögensbezogenen Steuern könnten gezielt in Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz fließen – Bereiche, in denen Deutschland dringend aufholen muss, um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
- Schuldenbremse: Die Schuldenbremse sollte unbedingt für die notwendigen Ausgaben für Militär und Infrastruktur gelockert werden.
Fazit: Ein radikaler Neuanfang ist unumgänglich
Die deutsche Steuerpolitik hat sich über Jahre hinweg in einem Teufelskreis aus ideologischen Blockaden und fehlendem Reformwillen verfangen. Der Status quo – hohe Belastungen für die arbeitende Bevölkerung, geringe Investitionen und eine ungleiche Vermögensverteilung – ist langfristig nicht haltbar.
Radikale Reformen sind nötig, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört der Mut, auch unbequeme Maßnahmen wie die Vermögenssteuer oder die Abschaffung von Erbschaftsprivilegien umzusetzen. Gleichzeitig müssen breite Schichten der Bevölkerung entlastet und Unternehmen gefördert werden, um Innovation und Wachstum zu ermöglichen.
Nur mit einem solchen Neustart kann Deutschland die Weichen für eine gerechtere und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft stellen – und sich aus der politischen Sackgasse befreien, in der es derzeit steckt.
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