Deutschland ist ein Land der klugen Reden und der kurzfristigen Entscheidungen. Immer wieder erleben wir, dass zentrale Themen wie Energieversorgung oder digitale Infrastruktur auf Konferenzen und in politischen Programmen breit diskutiert werden. Doch wenn es darauf ankommt, werden langfristige Überlegungen zugunsten betriebswirtschaftlicher Bequemlichkeit beiseitegeschoben. Der aktuelle Essay von Max Muth in der Süddeutschen Zeitung hält uns diesen Spiegel erneut ungeschönt vor – und leider trifft seine Analyse ins Schwarze.

Die Wiederholung der Fehler

Schon die fatale Abhängigkeit von russischem Gas war kein Unfall. Sie war Ergebnis eines bewussten Wegsehens, eines politischen Pragmatismus, der Risiken ausblendete, solange der Preis stimmte. Dasselbe Muster wiederholt sich nun bei der digitalen Infrastruktur. Trotz jahrelanger Diskussionen über „digitale Souveränität“ wurde der Aufbau eigener Cloudlösungen und Datenzentren immer wieder verschleppt. Stattdessen verlagerte sich der Großteil deutscher IT in die Hände amerikanischer Konzerne – aus Gründen der Kosteneffizienz, wie es hieß.

Heute stehen wir vor dem Problem, dass selbst existenzielle Unternehmensdaten und öffentliche Verwaltungsstrukturen von politischen Entscheidungen in Washington abhängig sind.

Neue Bedrohungslage unter Trump

Mit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat sich die Risikobewertung noch einmal drastisch verschärft. Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit gezeigt, dass er wenig Respekt vor internationalen Institutionen oder wirtschaftlichen Konventionen hat.

Die Vorstellung, dass ein US-Präsident gezielt Druck auf europäische Staaten ausübt, indem er amerikanische Technologiekonzerne als geopolitische Werkzeuge einsetzt, ist längst keine Theorie mehr. Begriffe wie „Kill Switch“ – der plötzliche Entzug von Cloud-Services – sind inzwischen Teil der ernsthaften strategischen Debatten in Europa.

Kurzfristige Vorteile, langfristige Schäden

Was Max Muth treffend benennt, ist die eigentliche Tragik hinter dieser Entwicklung: Deutschland scheint nicht in der Lage oder willens zu sein, aus Fehlern wirklich zu lernen. Immer wieder dominieren kurzfristige Rechnungen die Entscheidungsfindung. Investitionen in Resilienz, Redundanz oder Unabhängigkeit gelten als zu teuer, solange die Risiken abstrakt erscheinen. Doch wenn die Krisen Realität werden, ist der Preis ungleich höher.

Die aktuelle Schwächung des Zentrums für Digitale Souveränität (Zendis) zeigt exemplarisch, wie schwer es Deutschland fällt, neue Wege entschlossen zu gehen. Statt Aufbauarbeit zu leisten, werden vielversprechende Initiativen durch politische Kurzsicht oder interne Machtspiele ausgebremst.

Schlussfolgerung: Weitsicht statt Hoffnung

Es ist an der Zeit, umzudenken. Sicherheit kostet Geld. Sie erfordert Weitsicht, strategische Planung und die Bereitschaft, auch kurzfristige Nachteile in Kauf zu nehmen.

Das Prinzip Hoffnung – dass schon alles gutgehen werde – hat uns in der Vergangenheit teuer zu stehen gekommen. Es wird Zeit, dass Deutschland seine Naivität ablegt und endlich beginnt, aus seinen eigenen Erfahrungen klug zu werden. Sonst droht das, was Max Muth so treffend beschreibt: Die ständige Wiederholung der eigenen Fehler – mit immer höheren Kosten.