Die Inflation ist für Verbraucher in den letzten Jahren zu einem schmerzhaften Thema geworden. Besonders bei Lebensmitteln zeigt sich ein besorgniserregender Trend: Die Preise steigen nicht nur kontinuierlich, sondern sie steigen auf eine Weise, die wenig mit klassischen Marktwirtschaftsmechanismen zu tun hat. Auffällig ist, dass alle großen Supermärkte und Discounter ihre Preise nahezu parallel anpassen – eine Entwicklung, die Fragen nach fairer Preisbildung und Wettbewerb aufwirft (Bezug zu Artikel in der SZ vom 04-03-25). Die Politik sollte diese Entwicklung sehr ernst nehmen und natürlich stellt sich die Frage, wo das Wettbewerbsrecht bleibt.

Ein Blick auf die Zahlen: Wer verdient an der Inflation?

Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Jahr 2022 sind Lebensmittelpreise in Deutschland im Schnitt um mehr als 30 % gestiegen – ein Anstieg, der weit über die allgemeine Inflationsrate hinausgeht. Noch gravierender: Eigenmarken, die früher als günstige Alternative zu Markenprodukten galten, sind im Durchschnitt über 30 % teurer geworden, während Markenprodukte um 14 -20 % gestiegen sind.

Solche Preissprünge lassen sich kaum noch mit steigenden Rohstoffkosten erklären. Denn wenn der Butterpreis steigt, argumentieren Hersteller wie Bahlsen, dass ihre Produkte teurer werden müssen. Doch als der Butterpreis Mitte 2023 deutlich fiel, wurden die Kekse nicht billiger. Die Argumentation ist also einseitig: Steigende Kosten werden weitergegeben, sinkende dagegen nicht.

Warum alle Händler gleichzeitig teurer werden

Ein weiteres Problem: Die Preisentwicklung ist nicht nur hoch, sondern auch auffallend synchronisiert. Wenn Lidl oder Edeka die Butter teurer machen, ziehen Aldi, Rewe & Co. nahezu zeitgleich nach. Dieser Effekt ist kein Zufall, sondern hat systematische Ursachen:

  • Supermärkte und Discounter beobachten sich gegenseitig. Da Kunden besonders auf Butterpreise achten, wird hier bewusst ein „Preissignal“ gesetzt. Fällt der Butterpreis, empfinden Kunden das gesamte Sortiment als günstiger, auch wenn viele andere Preise stabil bleiben oder sogar steigen.
  • Preisabsprachen sind zwar verboten, doch parallele Preisanpassungen lassen sich nicht einfach nachweisen. Es reicht, dass ein Händler vorangeht und die anderen folgen.
  • Eigenmarken, die lange als günstige Alternative zu Markenprodukten galten, bieten keine Entlastung mehr. Sie sind in vielen Fällen überproportional teurer geworden – ein Zeichen dafür, dass Händler ihre Gewinnmargen gezielt erhöhen.

Wettbewerb oder stillschweigende Absprache?

Ein freier Markt funktioniert nur, wenn Unternehmen miteinander konkurrieren. Doch wenn alle großen Anbieter ihre Preise nahezu identisch anpassen, gibt es für Verbraucher kaum noch echte Alternativen. Die Marktmacht der großen Handelsketten sorgt dafür, dass Preiserhöhungen durchgesetzt werden können, ohne dass Kunden ausweichen können.

Klassische Mechanismen des Wettbewerbs scheinen hier auszuhebeln:

  • Keine echte Preisuntergrenze: Früher waren Discounter dafür bekannt, Markenprodukte zu unterbieten. Heute sind selbst Eigenmarken drastisch teurer.
  • Geringe Transparenz: Verbraucher wissen oft nicht, ob Preissteigerungen durch reale Kosten oder reine Gewinnmaximierung getrieben sind (die von der Ökonomin Isabella Weber genannte „Sellers Inflation“.
  • Keine Alternativen: Wer ausweichen will, hat wenige Möglichkeiten, da die großen Supermärkte in Deutschland den Markt dominieren.

Was folgt daraus?

Die Verbraucherzentralen fordern eine intensivere Untersuchung durch das Bundeskartellamt. Denn wenn Preise systematisch so gesetzt werden, dass Verbraucher immer verlieren, ist das kein fairer Wettbewerb mehr, sondern eine Marktkonzentration auf Kosten der Gesellschaft.

Doch auch die Politik ist gefragt. Preissteigerungen werden oft mit gestiegenen Energie- oder Rohstoffkosten begründet. Doch wenn Gewinnmargen steigen, während Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen müssen, zeigt sich: Die Inflation ist nicht nur eine Frage von Krisen und Knappheiten – sie ist auch eine Frage der Macht.

Für Verbraucher bleibt vorerst nur die Strategie, bewusst Preise zu vergleichen, saisonale Angebote zu nutzen und möglichst alternative Einkaufsmöglichkeiten zu finden. Doch ohne politischen Druck und kritische Regulierung droht der Lebensmitteleinzelhandel seine Marktmacht weiter auf Kosten der Verbraucher auszubauen. Die Politik sollte die Sensibilität des Themas für die Menschen im Land nicht unterschätzen!