Gerade findet in der Berlin die SmartCountryConvention 2025 statt. Ich bin nicht selber vor Ort, schau mir aber einige der Videos zu der Veranstaltung an, erst einmal mit dem Ziel, ein Beispielprojekt für eine Diskussion zu finden. Dies hier soll es sein (es soll sogar zu den Best Practises zählen!).

Politik und Verwaltung betonen regelmäßig, wie wichtig digitale Verfahren für Bürgerinnen, Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland sind. Doch in der Praxis zeigt sich ein komplexeres Bild: Fortschritte gibt es, aber sie sind mühsam, kompliziert und werden zu oft durch Strukturen gebremst, die eher beharren als gestalten. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der digitale Gewerbesteuerbescheid.

Ein scheinbar einfaches Projekt

Die Idee klingt einleuchtend: Statt den Gewerbesteuerbescheid in Papierform zu verschicken, wird er digital zugestellt – rechtssicher, maschinenlesbar und gleichzeitig menschenfreundlich als PDF. Unternehmen oder Steuerberater können die Daten direkt in ihre Software übernehmen, Medienbrüche und Tippfehler entfallen. Für die Verwaltung reduziert sich der Aufwand für Druck und Versand.

Technisch betrachtet ist das kein Zauberwerk – ganz im Gegenteil. Der Standard ist einfach: ein PDF/A-3 mit eingebettetem XML. Die sichere Zustellung über ELSTER oder das Unternehmenskonto ist längst etabliert. Ein kleines Entwicklerteam könnte in kürzester Zeit einen Prototypen realisieren – in wenigen Wochen wäre ein produktiver Start möglich.

Warum dauert es dann so lange ?

Und doch wird das Projekt zum „Mammut“. Der Grund liegt nicht in der Technik, sondern im System:

  • Föderale Zersplitterung: Jede Kommune hat eigene Kassen- und Finanzsoftware. Schnittstellen sind unterschiedlich, Standards nicht durchgängig.
  • Juristische Überabsicherung: Elektronische Zustellung bedeutet Rechtskraft. Schon kleine Unsicherheiten lösen langwierige Prüfungen aus.
  • Projektbürokratie: Ausschreibungen, Beratungsrunden, Testphasen – Prozesse, die Monate oder Jahre dauern.
  • Kulturelle Zurückhaltung: Verwaltung versteht sich eher als Risikovermeiderin denn als Gestalterin. Fehler sollen um jeden Preis ausgeschlossen werden. Das kann natürlich bei Digitalisierungsprojekten nicht die richtige Einstellung sein.

Hier zeigt sich der eigentliche Erkenntnisgewinn: Es ist nicht die Technik, die bremst, sondern es sind die Strukturen. Der digitale Gewerbesteuerbescheid könnte – technisch – in Wochen realisiert werden, die Produktivitätsgewinne wären sofort da. Doch die Verwaltung braucht Jahre, um rechtliche, organisatorische und föderale Hürden zu überwinden.

  • Produktivitätspotenzial bleibt ungenutzt, weil Strukturen nicht beweglich sind.

Immerhin: Es geht voran

Trotz aller Kritik muss man anerkennen: Der digitale Gewerbesteuerbescheid wird kommen, und er wird Nutzen stiften. Unternehmen und Steuerberater profitieren von schnelleren, medienbruchfreien Prozessen, Kommunen von geringeren Kosten. Insofern ist das Projekt ein Fortschritt.

Doch die eigentliche Lehre ist eine andere: Wenn schon ein derart klar umrissener und technischer Prozess so schwerfällig umgesetzt wird, wie sollen wir dann die großen Brocken der Verwaltungsdigitalisierung meistern – vom digitalen Personalausweis über Unternehmensregister bis hin zu Gesundheits- und Bildungsportalen?

Fazit

Der digitale Gewerbesteuerbescheid ist ein Schritt nach vorn – und zugleich ein Spiegel. Er zeigt, dass Deutschland Digitalprojekte oft nicht an der Technik scheitern lässt, sondern an föderaler Zersplitterung, juristischer Übervorsicht und Verwaltungskultur. Wer Digitalisierung wirklich will, muss diese Bremsen lösen. Sonst bleibt der Eindruck: Selbst einfache Dinge werden unnötig kompliziert – und das eigentliche Potenzial der Digitalisierung wird verspielt.