Die Launen der Märkte und was sie über uns verraten
Die Börse schwankt – und mit ihr die Nerven der Anleger. Wer sich Anfang April die Schlagzeilen ansah, konnte den Eindruck gewinnen, der Weltuntergang sei nahe: US-Präsident Donald Trump kündigte Strafzölle im großen Stil an, der DAX brach innerhalb weniger Tage um über 16 % ein. Doch wie so oft: Der Absturz war schnell – und die Erholung ebenso. Heute steht der Index bereits wieder höher als vor dem Einbruch.
Der Wirtschaftsjournalist Harald Freiberger erinnert in der Süddeutschen Zeitung vom 17. Mai 25 in einem Artikel eindrücklich an ähnliche Phasen: an das Platzen der Internetblase im Jahr 2000, an die Panik während der Finanzkrise 2008 oder an den Corona-Crash 2020. Und er zieht daraus eine wichtige Lehre: Nicht der Markt ist irrational – wir sind es.
Denn tatsächlich spiegelt sich in diesen Kurseinbrüchen weniger die Realität der Weltwirtschaft als vielmehr unsere verzerrte Wahrnehmung. Anleger handeln selten rein rational. Stattdessen dominieren psychologische Mechanismen:
- Verlustaversion führt dazu, dass wir Verluste doppelt so stark empfinden wie Gewinne – also oft viel zu früh verkaufen.
- Herdentrieb lässt uns genau dann verkaufen, wenn es alle tun – was die Abwärtsbewegung verstärkt.
- Kurzfristige Denkmuster machen aus jedem Rücksetzer ein Drama – obwohl der Anlagehorizont bei Aktien idealerweise 10 bis 15 Jahre betragen sollte.
Diese Verzerrungen führen zu einem paradoxen Verhalten: Als der Markt einbrach, war die Angst groß. Jetzt, da die Kurse sich erholen, kehrt wieder Sorglosigkeit ein – als ob nichts gewesen wäre. Doch genau diese Abfolge von Panik und Verdrängung ist typisch für sogenannte V-Formationen, in denen ein schneller Absturz auf eine ebenso schnelle Gegenbewegung trifft. Sie sind gefährlich, weil sie falsche Sicherheit vermitteln: Als sei jede Krise nur ein kurzer Spuk.
Doch wer etwas weiter zurückblickt, erkennt, dass es auch anders laufen kann: Das Platzen der Dotcom-Blase zog sich über drei Jahre, der DAX verlor zwei Drittel seines Werts. Wer damals vorschnell investierte oder in der Panik ausstieg, brauchte Geduld – oder verlor dauerhaft Geld. Trotzdem hätte sich auch ein Einstieg zur Unzeit langfristig rentiert: Heute notiert der DAX mehr als dreimal so hoch wie im Jahr 2000.

Was lernen wir daraus?
Die Börse ist kein Kasino – sie ist ein Spiegel der Weltwirtschaft. Diese wächst im historischen Durchschnitt um drei bis fünf Prozent jährlich, über Kriege, Pandemien und geopolitische Spannungen hinweg. Wer breit gestreut in globale Unternehmen investiert – etwa über ETFs –, partizipiert an dieser Entwicklung. Ja, es wird Rückschläge geben. Aber sie sind Teil des Spiels – nicht dessen Ende.
Der jüngste Zwischenfall mit Trumps Zöllen zeigt zudem, dass die Finanzmärkte nicht nur auf ökonomische Fundamentaldaten reagieren, sondern auch auf politische Eingriffe in die Marktwirtschaft. Der Versuch, Handelsungleichgewichte durch politische Preismanipulation (Zölle) zu „korrigieren“, war nichts anderes als ein Angriff auf den freien Markt. Die Reaktion der Märkte war entsprechend heftig – doch auch heilsam. Trump ruderte zurück. Der Markt – so scheint es – ist letztlich stärker als jede politische Laune.
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