Warum die DeZIM-Studie zum AfD-Aufstieg viel mehr Schlagzeilen machen müsste

Deutschland diskutiert über Fachkräftemangel, Bürokratieabbau und Standortpolitik. Doch eine aktuelle Untersuchung zeigt ein viel tiefer liegendes Problem – und sie geht fast unbeachtet unter. Die DeZIM-Studie „Ablehnung, Angst und Abwanderungspläne“ (2024) belegt: Immer mehr Menschen denken darüber nach, Deutschland oder zumindest ihr Bundesland zu verlassen. Nicht wegen Jobs oder Steuern, sondern wegen der politischen Stimmung – ausgelöst durch den Aufstieg der AfD.

Die Zahlen sind alarmierend:

  • Fast jede vierte Person mit Migrationshintergrund erwägt, Deutschland zu verlassen.
  • Auch über 11 % ohne Migrationshintergrund spielen mit dem Gedanken.
  • Konkrete Pläne haben 9,3 % mit und 1,9 % ohne Migrationshintergrund.
  • Besonders brisant: Ein Drittel der Befragten mit Migrationshintergrund würde in ein anderes Bundesland ziehen, sollte die AfD dort mitregieren.

Das ist nicht Randnotiz, das ist gesellschaftlicher Sprengstoff.

Wer geht, sind die Besten

Besonders gefährlich: Gehen werden die Besten – diejenigen, die Outside Options haben. Menschen mit internationaler Ausbildung, globalen Netzwerken, Fremdsprachenkenntnissen und der nötigen Mobilität. Kurz: genau jene, die Deutschland angesichts von Fachkräftemangel und Digitalisierung dringend braucht.

Wenn diese Gruppe das Vertrauen in die Zukunft verliert, wird sie nicht abwarten. Sie zieht weiter – nach Skandinavien, Kanada oder in die USA. Zurück bleiben Regionen, die ohnehin schon unter Abwanderung leiden. Damit droht ein doppelter Aderlass: ökonomisch durch den Verlust von Know-how und Steuereinnahmen, gesellschaftlich durch das Wegbrechen der offenen, innovativen Milieus.

Demokratische Erosion

Die Mehrheit lehnt die AfD-Pläne zur „Remigration“ ab, knapp 60 % fühlen sich durch die Debatte ängstlich. Angst aber zersetzt Vertrauen. Demokratie lebt jedoch von Zugehörigkeit und der Erwartung, dass die Zukunft in diesem Land gestaltbar bleibt. Wenn das verloren geht, wählen Menschen mit den Füßen – und es gehen zuerst die, die die größten Alternativen haben.

Warum reden wir nicht darüber?

Dass diese Studie nicht breiter bekannt ist, ist selbst Teil des Problems. Sie zeigt eine Realität, die wir offenbar lieber verdrängen: Dass der Aufstieg der AfD nicht nur politische Debatten verschiebt, sondern konkrete Fluchtbewegungen im eigenen Land auslöst.

Deutschland kann es sich nicht leisten, in einer globalen Konkurrenzsituation ausgerechnet seine Zukunftsträger zu verlieren. Nicht durch Bürokratie, nicht durch Steuerpolitik – und schon gar nicht durch politische Hetze.

Die eigentliche Dramatik liegt also nicht allein in den Zahlen. Sie liegt darin, dass wir wissen, wer als Erster geht – und dass wir es einfach hinnehmen.