Des Kaisers neue Kleider

Warum viele Menschen den politischen Wahnsinn sehen – und trotzdem mitmachen

Manchmal erklären alte Geschichten die Gegenwart besser als alle Politikwissenschaft. Hans Christian Andersen schrieb 1837 ein Märchen über Macht, Selbsttäuschung und das Schweigen der Vielen. Heute müsste er es nicht mehr erfinden – er müsste nur Nachrichten schauen.

In den USA lässt Donald Trump einen vergoldeten Ballsaal im Weißen Haus planen. Während internationale Spannungen eskalieren, Inflation drückt, der Staat seine Angestellten nach Hause schickt und soziale Konflikte wachsen, denkt der mutmaßlich mächtigste Mann der Welt an Stuck, Samtvorhänge und goldene Säulen. Ein politisches Disneyland der Eitelkeit. Ein Symbol von Machtverliebtheit, die sich selbst genügt.

Natürlich ist das mehr als Architektur. Es ist die Botschaft: „Ich bin der Kaiser – und dieses Land gehört mir.“ Nur diesmal läuft der Kaiser nicht nackt durch die Straßen, er lässt sich dafür einen goldenen Tanzsaal bauen. Die Absurdität bekommt Dekoration.


Die Schlagzeilen der Woche – eine Groteske

Ein Blick auf die Nachrichten reicht:

  • „Trump floats a third term“ – obwohl die Verfassung das strikt verbietet.
  • „Federal troops for San Francisco discussed“ – wer so etwas überhaupt denkt, hat Demokratie vergessen.
  • „Tariffs on Canada“ – der nächste Wirtschaftskrieg als Reflex auf ein Werbevideo.
  • „US carrier deployed to Caribbean“ – Stärke zeigen, um von Chaos abzulenken. Ohne Verfahren werden vermeintliche Drogendealer liquidiert.

Und während all das passiert, spricht Trump davon, wie schön der Goldsaal glänzen wird.


Warum machen Menschen das mit? – Die Psychologie dahinter

Es wäre zu einfach, das als Dummheit abzutun. Viele Menschen sehen, was passiert – und machen trotzdem mit. Das hat Gründe:

1. Gruppendruck – die Angst, allein zu sein

In autoritär werdenden Bewegungen verliert man nicht zuerst Argumente – man verliert Zugehörigkeit. Wer widerspricht, fliegt raus. Also schweigt man. Loyalität ersetzt Wahrheit.

2. Emotion schlägt Information

Trump liefert das wichtigste politische Asset unserer Zeit: Ressentiment. Politik wird nicht mehr rational beurteilt, sondern emotional. Fakten prallen ab, Gefühle kleben.

3. Autoritätsglaube

In Krisenzeiten suchen Menschen einfache Antworten und starke Figuren. Wenn Komplexität Angst erzeugt, wirkt der Autokrat wie ein Retter. Gefährlich: Viele wollen keine Freiheit – sie wollen Ruhe.

4. Selbsttäuschung

Wer lange folgt, kann nicht einfach sagen: „Ich habe mich geirrt.“ Also passt man die Realität an die eigene Meinung an – nicht umgekehrt. Psychologie nennt das kognitive Dissonanzreduktion. Politik nennt es: Realitätsverweigerung.


Das eigentlich Erschreckende

Viele Menschen tun gerne so, als sei das alles unfassbar, absurd, unverständlich und sie leben ihr tägliches Leben weiter wie bisher (was bleibt ihnen auch anders übrig).

Die nur teilweise verdeckte Wahrheit ist allerdings sehr gefährlich:

Die Menschen wissen, was sie tun. Sie tun es trotzdem.

Das ist kein Unfall, keine geisterhafte Verirrung der Masse. Es ist eine Entscheidung – aus Angst, Bequemlichkeit, Machtgier oder schlicht Teilnahmslosigkeit. Demokratien sterben nicht plötzlich – sie fransen aus. Sie werden stumpf gemacht, weichgekocht, an die Lüge gewöhnt.


Der goldene Ballsaal – Symbol einer Posse

Dieser Ballsaal ist mehr als ein Bauprojekt. Er ist das Spiegelbild einer Politik, die nur noch Inszenierung ist. Gold statt Glaubwürdigkeit. Show statt Staat. Eine Ersatzreligion für Identitätssucher. Und wie im Märchen von Andersen steht am Ende das einfache Kind da, das die Wahrheit ausspricht:

„Der Kaiser hat keine Kleider.“

Tja, da greifen wir auf ein Sprichwort zurück: „Kindermund tut Wahrheit kund“.

Aber die, die da im Ballsaal stehen, wollen alle keine Kinder mehr sein.