Der Rubel rollt schon lange nicht mehr
Der Rubel – einst ein Symbol russischer Stabilität – ist zum Gradmesser einer angeschlagenen Wirtschaft geworden. Der kurzfristige Zinssatz von 21 % in Russland zeigt die dramatischen Maßnahmen, die die Zentralbank ergreifen musste, um die Währung zu stabilisieren. Doch diese Zinspolitik ist ein zweischneidiges Schwert: Sie kann den Rubel kurzfristig stützen, hemmt aber langfristig Investitionen und Konsum.
Währungskrise und Stabilisierung
Ende November 2024 rutschte der Rubelkurs auf über 100 Rubel pro US-Dollar, ausgelöst durch neue US-Sanktionen. Die Gazprombank, ein zentraler Akteur im internationalen Zahlungsverkehr für russisches Gas, wurde auf eine erweiterte Sanktionsliste gesetzt. Dies verringerte die Verfügbarkeit von US-Dollar in Russland drastisch und ließ den Rubelkurs abstürzen.
Nach 18 Tagen Krise stabilisierte sich der Rubel, unter anderem durch kreative Maßnahmen wie den Import von Dollar über Anrainerstaaten. Die russische Regierung nutzte diesen Moment, um Stärke zu demonstrieren. Doch diese Stabilisierung kann nicht über die grundlegenden Schwächen hinwegtäuschen, die zunehmend sichtbar werden.
Der Rüstungsboom als Scheinlösung
Die russische Wirtschaft wird aktuell vor allem durch einen massiven Rüstungsboom am Leben gehalten. Der Verteidigungshaushalt für 2024 steigt auf 13,5 Billionen Rubel – etwa 130 Milliarden Euro. Dies entspricht 7–9 % der gesamten Wirtschaftsleistung. Die Maschinen in den Rüstungsfabriken laufen rund um die Uhr, und seit 2023 wurden mehr als 520.000 neue Arbeitskräfte eingestellt. Doch diese Scheinblüte stößt an ihre Grenzen.
Ein gravierender Fachkräftemangel und westliche Technologie-Sanktionen setzen die Rüstungsindustrie unter Druck. Ersatzteile werden knapp, und Unternehmen müssen Panzer aus sowjetischen Altbeständen ausschlachten. Die steigende Nachfrage nach Fachkräften treibt die Löhne in die Höhe, ohne die Produktionskapazität entscheidend zu steigern.
Inflation und soziale Auswirkungen
Die Inflation in Russland wird offiziell mit 8,5 % angegeben, doch westliche Experten schätzen sie höher ein. Steigende Löhne – durchschnittlich um 19 % – kompensieren die Preissteigerungen für viele Bürger, doch die reale Kaufkraft leidet. Einige Supermärkte sichern Grundnahrungsmittel wie Butter hinter Glas, ein symbolisches Bild für die schleichenden sozialen Verwerfungen.
Der Hochdruckkessel der russischen Wirtschaft
Die russische Wirtschaft gleicht einem Hochdruckkessel, der durch den Rüstungsboom auf Hochtouren läuft. Doch dieser Kessel verliert langsam Wasser. Der Fachkräftemangel begrenzt das Produktionspotenzial, während die westlichen Sanktionen den Zugang zu Hochtechnologie kappen. Viele Güter müssen über Umwege importiert werden, was die Kosten treibt und die Effizienz mindert.
Trotzdem ist ein wirtschaftlicher Kollaps unwahrscheinlich. Russland profitiert weiterhin von seinen Rohstoffexporten, insbesondere nach China und Indien. Selbst die EU bleibt ein Abnehmer von russischem Flüssiggas, was dem Kreml wichtige Einnahmen sichert.
Ausblick: Stabilität oder Stagnation?
Der hohe kurzfristige Zins von 21 % könnte die Stabilisierung des Rubels unterstützen, doch er drosselt gleichzeitig das Wachstum. Für 2024 wird ein Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 1,8 % erwartet, was die Belastung der russischen Bevölkerung weiter erhöht. Langfristig muss Russland die strukturellen Probleme wie Fachkräftemangel und technologische Rückständigkeit angehen – ein schwieriges Unterfangen in einer durch Sanktionen isolierten Wirtschaft.
Der Rubel rollt nicht mehr wie früher. Er ist ein Spiegelbild einer Wirtschaft, die durch Rüstungsboom und Sanktionen gleichermaßen geprägt ist. Langfristig wird das Land den Anschluss an Technologie und Wirtschaftswachstum verlieren.
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