Deutschland will digital souveräner werden. Behörden und öffentliche Einrichtungen sollen künftig ihre Daten in einer Cloud speichern können, die den Anforderungen an Datenschutz, Geheimhaltung und Unabhängigkeit genügt. Mit der Delos Cloud entsteht nun eine Plattform, die genau das leisten soll – zumindest auf den ersten Blick. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich ein Paradox: Die viel beschworene Souveränität basiert ausgerechnet auf den Technologien eines US-Konzerns – Microsoft.

Der Anspruch

Delos Cloud soll für Verwaltungen eine sichere Alternative zu herkömmlichen Public-Cloud-Angeboten schaffen. Datenhaltung ausschließlich in Deutschland, Betrieb durch deutsches Personal, Kontrolle über Telemetrie und Updates – das sind die Schlagworte. Die rechtliche Verantwortung liegt bei einer deutschen Gesellschaft, sodass deutsches Recht gilt und die Daten der Hoheit deutscher Gerichte unterliegen. Für Behörden ist das ein wichtiges Signal: Endlich ein Weg, die vertrauten Werkzeuge von Microsoft – Office 365, Azure-Grunddienste – weiter nutzen zu können, ohne in Konflikt mit Datenschutzvorgaben oder Compliance-Richtlinien zu geraten.

Der Widerspruch

Gerade darin liegt jedoch der zentrale Widerspruch: Souveränität bedeutet eigentlich Unabhängigkeit. Doch Delos bleibt vollständig auf Microsoft angewiesen – von der technologischen Basis über die Innovationszyklen bis hin zu strategischen Entscheidungen. Sollte Microsoft von US-Behörden unter den Cloud Act gestellt werden, könnte der Zugriff auf Daten auch in einer „deutschen“ Cloud nicht ausgeschlossen werden. Juristische Konstruktionen schaffen zwar ein zusätzliches Schutzschild, doch die Abhängigkeit vom US-Rechtssystem bleibt bestehen.

Die Alternativen

Ein konsequenterer Weg wäre der Einsatz von Open-Source-Technologien gewesen. Lösungen wie Kubernetes, OpenStack oder Nextcloud ermöglichen eine souveräne Cloud-Infrastruktur, die tatsächlich unter europäischer Kontrolle steht. Anbieter wie Ionos, OVH oder Stackit entwickeln bereits solche Plattformen. Der Vorteil: keine Lizenzabhängigkeit, volle Transparenz, langfristig geringere Kosten und vor allem die Möglichkeit, Innovation in Europa selbst voranzutreiben. Delos hätte als staatliches Prestigeprojekt diesen Ansatz stärken und der europäischen IT-Branche Rückenwind geben können.

Warum es anders kam

Stattdessen entschied man sich für den pragmatischen Weg. Microsoft ist längst tief in deutschen Verwaltungen verankert. Migration auf Open-Source-Lösungen wäre teuer, riskant und politisch schwer durchzusetzen gewesen. Hinzu kommt der Lobby-Einfluss großer Anbieter: Wer schnelle Ergebnisse verspricht, setzt sich durch. Delos ist daher weniger eine echte Souveränitätslösung als ein politischer Kompromiss.

Fazit

Delos Cloud wird zweifellos genutzt werden, weil sie Behörden einen Weg eröffnet, vertraute Anwendungen regelkonform zu betreiben. Für den Steuerzahler bedeutet das allerdings: höhere Kosten, geringere Innovationsgeschwindigkeit und eine fortgesetzte Abhängigkeit von Microsoft.

Die eigentliche Frage bleibt offen: Will Europa langfristig wirklich unabhängig werden oder begnügt man sich mit einer juristisch verpackten Version fremder Technologien? Delos Cloud ist ein Schritt in Richtung mehr Compliance – aber kein Meilenstein in Richtung echter digitaler Souveränität.