Kommentar: Politiker fordern längere Lebensarbeitszeit – und ignorieren die Realität

Während Spitzenpolitiker regelmäßig appellieren, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, um die demografischen Herausforderungen zu bewältigen, zeichnet sich auf dem realen Arbeitsmarkt ein gegenteiliger Trend ab: Unternehmen entlassen gezielt ältere Mitarbeitende – oft noch vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter. Was als „sozialverträgliche Frühverrentung“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine systematische Ausmusterung eines Teils der erfahrensten Arbeitskräfte. Die Realität zeigt: Wer über 55 ist, zählt bei Stellenabbauplänen oft zu den ersten, die gehen müssen.

Widerspruch zwischen politischem Anspruch und betrieblicher Praxis:

  • Die Politik warnt vor einem Fachkräftemangel und will, dass die Menschen länger arbeiten.
  • Gleichzeitig verabschieden Konzerne wie VW, SAP oder Bayer jährlich tausende Arbeitnehmer über großzügige Abfindungsprogramme oder Altersteilzeit in den Vorruhestand.
  • Besonders zynisch wirkt dies für die Betroffenen, wenn sie arbeiten wollen – aber faktisch niemand mehr sie einstellt.

Ergebnis: Stillgelegte Potenziale

Ältere Arbeitskräfte bringen Qualifikation, Erfahrung und oft große Loyalität mit. Dennoch werden sie aus dem Erwerbsleben gedrängt – und landen in der Bewerbungsschleife oder im frühzeitigen Ruhestand, ob freiwillig oder nicht. Viele erleben das nicht als Entlastung, sondern als gesellschaftliche Abwertung. Gleichzeitig klagen Unternehmen über fehlende Fachkräfte – ein Widerspruch, der sich nicht wegmoderieren lässt.

Fazit:

Wenn Politik glaubwürdig für längeres Arbeiten werben will, muss sie dafür sorgen, dass Menschen über 55 überhaupt noch eine reale Chance auf Beschäftigung haben. Solange Unternehmen weiterhin altersspezifisch aussortieren – sei es offen oder durch die Hintertür – sind Forderungen nach „mehr Arbeit im Alter“ schlicht realitätsfern. Was gebraucht wird, ist eine echte Kultur der Wertschätzung und Integration älterer Beschäftigter – nicht bloß Sonntagsreden.