Europa spricht oft über die Schwäche seiner Kapitalmärkte. Doch während große Finanzplätze wie Frankfurt oder London weiter hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, gibt es einen Standort, der nahezu unbemerkt zur europäischen IPO-Lokomotive geworden ist: Stockholm. Seit Jahresbeginn verzeichnet die Nasdaq Stockholm bzw. der schwedische Aktienmarkt ein IPO-Volumen von rund 6,8 Milliarden US-Dollar (~ 6 Mrd Euro) – und liegt damit deutlich vor vielen anderen europäischen Börsen. (Investing.com UK)

Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Ergebnis eines äußerst investorenfreundlichen Ökosystems, das sich in Schweden über Jahrzehnte herausgebildet hat. Während hierzulande Sparbuch, Tagesgeld und Versicherungen dominieren, gilt in Schweden die direkte Aktienanlage als weit verbreitet. So schreibt die OECD:

„Most public companies in Sweden … Domestic investment in these markets is widespread, ranging from institutional investors to households.“ (OECD)

Aktienkultur als Standortvorteil

Ein wichtiger Bestandteil dieser Aktienkultur sind einfache steuerliche und regulatorische Rahmenbedingungen. So haben Privathaushalte in Schweden einen deutlich höheren Anteil ihres finanziellen Vermögens in Aktien bzw. börsennotierten Beteiligungen. Laut OECD:

„Households, too, hold the largest share of financial assets in listed equities among peer countries.“ (OECD)
Auch die schwedische Regierung hebt hervor, dass Aktien- bzw. Kapitalmarktsparen in Schweden über Jahrzehnte etabliert wurde. (Regeringskansliet)

Für Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere – ergibt sich daraus ein enorm relevanter Vorteil: ein liquider, engagierter und risikofreudiger Kapitalmarkt, der auch kleinvolumige Börsengänge ermöglicht. Die OECD-Analyse legt nahe:

„Small companies use public markets to a much larger extent than in comparable countries.“ (OECD)

Struktur, Technik und Kultur greifen ineinander

Auch die Struktur des Marktes ist ein entscheidender Faktor. In einem Artikel des Deutsches Aktieninstitut heißt es:

„Sweden is characterised by a high number of IPOs and listed companies … The legal framework in Sweden is growth-friendly …“ (Frankfurt Main Finance)
Zudem zeigt ein Bericht, dass Stockholm in 2025 bereits zu den aktivsten IPO-Plätzen Europas zählt. (Bloomberg)

Was Deutschland daraus lernen könnte

Deutschland muss nicht Schweden kopieren. Aber man kann sehr wohl erkennen, welche Stellschrauben funktionieren:

  • Steuerlich einfache Anlagevehikel, die Direktinvestitionen fördern.
  • Regulierung, die schützt, aber nicht abschreckt.
  • Kapitalmarktbildung als gesellschaftliche Aufgabe – nicht als Nischenprojekt.
  • Attraktive Börsensegmente, die auch kleineren Unternehmen realistische Zugänge eröffnen.

Solange deutsche Haushalte ihr Geld primär auf unverzinsten Konten parken und Unternehmen den Kapitalmarkt meiden, wird Deutschland im Wettbewerb der Finanzplätze weiter zurückfallen. Schweden zeigt, wie ein Land mit nur zehn Millionen Einwohnern zu einem der führenden IPO-Standorte Europas werden kann – weil es Kapitalmarkt nicht verwaltet, sondern lebt.