Wenn die Blase platzt
Warum Europa echte Absicherungsinstrumente für Privatanleger braucht
Einige alarmierende Berichte in der Wirtschaftspresse erinnern an eine unbequeme Wahrheit: Wenn die Tech- und KI-Hausse an den Börsen endet, trifft es nicht nur Großanleger – auch Privatanleger verlieren, oft stärker, weil sie in trendgetriebene ETFs investieren und zu spät reagieren. Die Empfehlung der Profis lautet daher: Risiken streuen, Cash-Reserven aufbauen und das Depot rechtzeitig umschichten. Doch diese Ratschläge greifen zu kurz, solange der europäische Markt Kleinanlegern keine einfachen und kostengünstigen Instrumente zur aktiven Absicherung bietet.
Fehlende Schutzmechanismen für Kleinanleger
In den USA existieren längst sogenannte Protective-Put-ETFs, die Aktieninvestments automatisch mit Put-Optionen absichern – eine Art Airbag für das Depot. Sie begrenzen Verluste, lassen aber Gewinne weitgehend zu. Diese Produkte sind relativ einfach gestrickt, kostentransparent und eignen sich auch für Kleinanleger, die kein Derivatekonto führen wollen. In Europa dagegen sucht man solche Instrumente vergeblich. Hier dominieren riskantere Strukturen wie Short-ETFs oder trendorientierte Covered-Call-ETFs, die eher Rendite „verkaufen“ als Risiko managen.
Das ist paradox: Europa ist regulatorisch streng, aber bei der finanziellen Schutzarchitektur für Privatanleger erstaunlich unterentwickelt. Statt Absicherungsstrategien zu ermöglichen, wird der Markt durch UCITS-Regeln und mangelnde Innovation ausgebremst.
Zwischen Absicherung und Passivität
Einige Wirtschaftsredakteure beschreiben, dass Profis rechtzeitig umschichten – sie nutzen derivative Strategien, Futures oder Optionen, um das Risiko präzise zu steuern. Privatanleger hingegen bleiben meist passiv: Sie halten ihre ETFs, hoffen auf den nächsten Aufschwung und verkaufen in Panik, wenn die Verluste zu groß werden. Ein Protective-Put-ETF auf europäische Aktien, etwa auf den EURO STOXX 50 oder DAX, könnte genau hier helfen: Wer langfristig investiert, bliebe investiert – aber mit eingebautem Fallschirm.
Gerade für Kleinanleger, Studierende und Berufseinsteiger wäre das ein pädagogisch wertvolles Instrument. Es vermittelt, dass Risiko nicht ausgeschaltet, aber steuerbar ist. Viele verstehen den Mechanismus intuitiv: Eine Aktie besitzen und gleichzeitig eine Versicherung dagegenhalten, dass sie stark fällt – das leuchtet auch Einsteigern ein.
Europas Marktlücke
Tatsächlich existieren auf Indexebene bereits entsprechende Modelle, etwa der DAXplus Protective Put Index oder der EURO STOXX 50 Protective Put 80 % Index. Doch kein ETF-Anbieter hat diese Indizes bisher in ein UCITS-konformes Produkt für den europäischen Publikumsmarkt umgesetzt.
UCITS steht für Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities – die europäische Richtlinie, die sicherstellt, dass Fonds und ETFs strengen Anforderungen an Transparenz, Liquidität, Risikobegrenzung und Anlegerschutz unterliegen. Nur Produkte, die diese Kriterien erfüllen, dürfen in Europa frei an Privatanleger vertrieben werden.
Der Nachteil: Diese Regeln schränken den Einsatz von Derivaten und Absicherungsstrategien stark ein. Ein Fonds darf zwar Optionen nutzen, aber nur in begrenztem Umfang und meist nur zur „Effizienzsteigerung“ – nicht für systematische Schutzstrategien wie einen permanenten Put-Overlay. Dadurch bleiben innovative Konzepte wie Protective-Put-ETFs auf dem europäischen Markt bislang außen vor.
Dabei wären die Kosten überschaubar und der Nutzen enorm: Gerade in einer Phase, in der Technologie- und KI-Bewertungen neue Blasen bilden, könnten UCITS-konforme Schutz-ETFs Kleinanlegern erstmals ermöglichen, investiert zu bleiben, ohne schutzlos dem nächsten Crash ausgeliefert zu sein.
Stattdessen werden Privatanleger mit „innovativen“ Produkten überhäuft, die kaum Schutz bieten: Themen-ETFs, inverse Hebelprodukte oder Income-Strategien. Doch wenn der Markt kippt, helfen diese kaum. Was fehlt, ist Risikokompetenz in Produktform.
Fazit
Die Warnung vor der KI-Blase sollte deshalb breiter verstanden werden: Nicht nur das Verhalten der Anleger, sondern auch die Struktur des europäischen Marktes ist ein Risiko. Einfache, transparente Absicherungsprodukte könnten das ändern. Europa braucht keine weiteren spekulativen ETFs, sondern ETF-Versicherungen – Protective-Put-Lösungen, die Kleinanlegern das ermöglichen, was Profis längst selbstverständlich tun: Verluste begrenzen, Chancen wahren und in Krisen gelassen bleiben.
(Quellen: Moritz Kudermann, „Krisensichere Geldanlage – Was Finanzexperten ETF-Anlegern jetzt raten“, ZEIT Online, 29.10.2025 [1]; STOXX Index Factsheets [2]; etfstream.com [3]).
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