Europa statt Amerika?
Lange Zeit war die Richtung der Kapitalströme eindeutig: Sie flossen von Europa in die USA. Getrieben von Technologiegiganten, Innovationskraft und einem dynamischen Kapitalmarkt dominierten amerikanische Aktien die weltweiten Depots – oft unbemerkt. Denn wer etwa in den populären MSCI-World-ETF investierte, legte de facto rund 70 % seines Geldes in US-Unternehmen an.
Doch seit Anfang 2025 ist eine spürbare Trendwende zu beobachten. Europas Börsen laufen deutlich besser als die Wall Street. Während der DAX, der Euro Stoxx 50 und auch südeuropäische Leitindizes zweistellige Renditen verzeichnen, tritt der US-Leitindex S&P 500 nahezu auf der Stelle – oder verliert sogar in Euro gerechnet an Wert. Der Grund liegt nicht nur in einer schwächelnden US-Wirtschaft, sondern in der wachsenden politischen Unsicherheit rund um Donald Trumps erneute Präsidentschaft und seine protektionistische Wirtschaftspolitik.
Kapital kehrt zurück nach Europa
Internationale Investoren ziehen Konsequenzen: Allein in der ersten Jahreshälfte 2025 verzeichneten europäische Aktienfonds Zuflüsse in Milliardenhöhe. Und Experten wie Matthias Born (Berenberg Bank) rechnen langfristig mit einer Kapitalumschichtung in Billionenhöhe – ein mögliches Comeback Europas auf dem Börsenparkett.
Was steckt hinter dieser Entwicklung?
- Geopolitische Risiken in den USA, darunter Zölle, außenpolitische Eskalation und ein schwächelnder Dollar.
- Wirtschaftspolitische Impulse in Europa, etwa durch Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung.
- Attraktive Bewertung europäischer Aktien im Vergleich zu US-Titeln.
- Lockerere Geldpolitik der EZB, die Investitionen begünstigt.
Das Problem mit dem MSCI World
Viele Anlegerinnen und Anleger fragen sich nun: Was tun mit dem MSCI World, dem „Lieblingsindex“ europäischer Sparer?
Der Index suggeriert globale Streuung, besteht aber zu über 70 % aus US-Werten – bei gleichzeitig hohem IT-Anteil (ca. 25 %). In Zeiten politischer Unsicherheit und möglicher Rückschläge für den Tech-Sektor (Stichwort: KI-Blase) kann dieses Übergewicht zum Klumpenrisiko werden. Und ein vollständiger Verkauf der Position kann – vor allem bei älteren Depots – empfindliche Steuerzahlungen nach sich ziehen.
Strategischer Umbau statt radikaler Ausstieg
Statt zu verkaufen, empfehlen Finanzexperten eine schrittweise Umschichtung:
- Sparplan auf den MSCI World einfrieren
- Neuen Sparplan auf einen Europa-ETF starten
Beispiel: Wer monatlich 100 € in einen Europa-ETF investiert, kann über einige Jahre den US-Anteil im Depot deutlich senken – ohne Verkaufsgewinne zu realisieren und steuerlich belastet zu werden. Je nach Risikoneigung eignen sich unterschiedliche Indizes:
| Index | Merkmale |
| Euro Stoxx 50 | Renditestark, aber IT-lastig |
| MSCI EMU | Breiter als Euro Stoxx 50 |
| Stoxx Europe 50 | IT gering, viel Gesundheitswesen |
| Stoxx Europe 600 | Sehr breit, 600 Titel aus 17 Ländern |
| MSCI Europe / FTSE Dev. Europe | Ebenfalls gut diversifiziert |
Wer IT-Risiken vermeiden und gleichzeitig Europa stärker gewichten möchte, findet also passende Alternativen – auch als Ergänzung, nicht zwingend als Ersatz.
Fazit: Jetzt umdenken, nicht kopflos verkaufen
Die USA bleiben ein zentraler Markt. Doch ein Depot, das fast drei Viertel in einer einzigen Volkswirtschaft hält, ist nicht diversifiziert – sondern einseitig. In einer Zeit, in der Europa politisch und wirtschaftlich an Profil gewinnt, lohnt sich ein gezielter Portfolio-Umbau. Und er muss weder abrupt noch teuer sein.
Schreibe einen Kommentar